Marcel Macho / Amanda Grigoleit,
Inklusion an Schulen ----- Zweiter Teil ----- Interview mit Rektorin Daniela Maschka-Dengler

Welche Probleme gibt es im Bereich Inklusion und Schule?

 

Im 2. Teil des Interviews erklärt uns Frau Maschka – Dengler welche Probleme es im Bereich Inklusion und Bildung noch gibt.
Im Interview besprechen wir wie mit den bestehenden Schwierigkeiten umgegangen wird und wie sie bewältigt werden können.

Herr Macho: Wie gut funktioniert Inklusion an Schulen?

Frau Maschka - Dengler: Die ehrliche Antwort ist, nicht so gut wie es muss. Es gibt einfach zu wenig Lehrkräfte, wir haben alle einen Lehrermangel und im sonderpädagogischen Bereich noch viel mehr. Die Sonderpädagogen sind nicht zufrieden, weil es zu viele Kinder sind um sie ideal zu unterstützen. In den Förderschulen besteht dasselbe Problem jedoch anders. Die Regellehrkräfte wollen es allen Recht machen und natürlich auch den L – Schülern obwohl zu 75 oder 85 Prozent kein Sonderpädagoge bei den Kindern im Unterricht ist.
Früher hatte ich eine erste Klasse da war zu 90 Prozent eine Sonderpädagogin dabei, 2011 waren es nur noch 70 Prozent und das wurde immer weniger. Dass das nicht gut ist, ist klar.
Das ist auch eine Überforderung des Regelkollegiums, die machen sich dann Druck, weil Sie nicht zufrieden sind mit der Situation. Aber die Eltern dieser Schülergruppe wünschen sich mehr und wollen ihr Kind nicht auf die Förderschule zurückschicken. Dieses viel zu geringe Personal ist eine große Belastung für die Lehrer. Da hat man Geld gespart, da ging es nicht um eine Umsetzung der UN Konvention von 2009. Das ist eine sehr schlimme Sache.

Herr Macho: Gibt es außer Sonderschullehrkräfte noch andere Menschen, die als Unterstützung für Schülerinnen und Schüler eingesetzt werden?

Frau Maschka-Dengler: Ja, darüber sind wir sehr froh. Es gibt FSJ-Kräfte, die allen helfen. Sie unterstützen aber nicht nur diejenigen, die einen Förderbedarf haben.
Dann gibt es noch die Schulassistenz auch Schulbegleitung genannt. Diese Menschen kümmern sich immer ganz bewusst um eine bestimmte Person, weil diese Person eine bestimmt Hilfe unbedingt  benötigt. Die Hilfe sieht immer etwas unterschiedlich aus, weil ja auch die Unterstützung von  Mensch zu Mensch verschieden sein kann. Der eine braucht Hilfe, weil er sich nicht gut bewegen kann oder auf den Rollstuhl angewiesen ist, ein anderer Mensch braucht die Aufgaben immer wieder erklärt, damit sie auch gelöst werden können. Wieder eine anderer braucht öfters eine Auszeit oder Pause und verlässt mit der Schulbegleitung den Unterricht um wieder zur Ruhe zu kommen. Das DRK regelt den Einsatz dieser Schulbegleitungen. Das ist gut, weil wir einen festen Ansprechpartner haben und er alle seine Schulbegleitungen persönlich gut kennt.  Der Ansprechpartner heißt  Herr Wödl. Er ist unsere „Kümmerer“.

Herr Macho: Welche Hürden gibt es noch?

Frau Maschka - Dengler: Viele Eltern meinen, dass wenn Ihr Kind mit behinderten Kindern im Unterricht ist, dass dann ihr Kind zu wenig lernt. Das ist ein Problem, das so nicht stimmt. Diesen Blick immer nur auf die vermeintlichen Stärken von Menschen, das man dann meint selber zu kurz zu kommen, wenn man vielleicht mal abwarten muss, finde ich schwierig.
Wir haben jetzt zweimal, weil wir eine junge Schule sind, die Realschulprüfung gemacht. Wir hatten von Klasse 1 ab die Kinder und auf Klasse 5 mindestens immer 4 inklusive Kids dabei immer mit schlechter Lehrerversorgung. Wir haben den besten Schnitt gehabt auch mit Gegenkorrektur von den anderen Schulen. Da waren die anderen Realschulen fast neidisch, wie gut unsere Schüler waren. Das bedeutet im Umkehrschluss, die Inklusionskinder haben uns nichts genommen. Sie haben uns manchmal vielleicht Ruhe genommen, aber sie haben uns nichts an effektivem Lernen genommen. Das finde ich einfach toll, dass die Kinder sich gegenseitig helfen.

Herr Macho: Sollten Ihrer Meinung nach Förderschulen abgeschafft werden? Warum?

Frau Maschka - Dengler: Ich habe das früher, nur auf L – Schulen bezogen, eindeutig bejaht. Mittlerweile komme ich davon ab, weil manche Kinder das kleine und überschaubare Umfeld der Fördereinrichtungen brauchen. Diese Ruhe die tut manchen gut, um sich zu entwickeln. Das muss man ganz kritisch sagen. Das können wir nicht bieten und das will ich auch nicht. Aber es ist nicht für jedes Kind gut genug und dann muss man wechseln, das müssen auch Eltern akzeptieren nachher. In einer Schule wie dieser sind einfach viele Schüler und die Rückzugsräume sind nicht dieselben.
Die Kinder haben verschiedene Problemfelder und für viele ist dieses große Gewusel eine Unruhe, die ihnen nicht gut tut im Wohlbefinden. 50 Prozent der Kinder brauchen mehr Ruhe und dazu sind die Förderschulen gut. Früher habe ich das anders gesehen, weil es wissenschaftliche Befunde gibt die Förderschulen sehr kritisch betrachten und damit habe ich mich intensiv beschäftigt. Manchmal werden die Kinder zu sehr behütet, meiner Meinung nach und ich finde das entmündigt. Es ist ja nicht schlimm, wenn man mal in den falschen Bus steigt, das passiert meine Regelschüler auch immer wieder, und ich selbst bin auch schon an der Bahnstation, wo ich hin wollte, vorbeigefahren. Aber, das man alles nimmt was ein Lernfeld ist, ist auch nicht richtig. Das hat alles Vor- und Nachteile. Zum Beispiel haben wir in der neunten Klasse die Berufsvorbereitung.
Dafür gibt es extra Module für diese Kinder. Aber auch Module mit den anderen Kindern zusammen. Das hängt ganz davon ab von der individuellen Begabung, welche Berufsvorbereitungskurse die Kinder besuchen. Die Kinder können den Hauptschulabschluss machen, aber den schaffen nicht alle das muss man den Eltern im Aufnahmegespräch sagen. Oft ist dies nicht der Fall. Die inklusiven Schüler können maximal bis zur neunten Klasse die Schule besuchen. Sie müssen danach ihren eigenen Berufsweg finden.

Herr Macho: Wie lange kann es sich unsere Gesellschaft noch leisten zwei Schulsysteme zu haben?

Frau Maschka - Dengler: Meiner Meinung nach, muss man da wirklich offen rangehen. Mal hypothetisch, wenn ich viel Geld hätte für die Schule, dann würde ich die Klassenräume vergrößern und allgemein den Platz. Denn das tut jedem gut. Damit man an einer großen Schule wie dieser Krankenstationen und Ruheräume haben kann. So kann man sich noch viel mehr um die Stärken und Schwächen von jedem Kind kümmern. Wenn das gegeben wäre und Lehrer aus allen Schularten und in viel mehr Lehrer an den Schulen wären, dann könnte man das abschaffen.

Frau Grigoleit: Wie kommen Sie mit den gekürzten Ressourcen von Sonderpädagogen und Lehrkräften im Schulalltag zurecht?

Frau Maschka - Dengler: Mit allergrößter Anstrengung. Zum Glück ist im Rahmen der Digitalisierung das Absprechen zwischen den Lehrern leichter geworden. Oft sieht es dann so aus, dass die Regellehrer den Sonderpädagogen ihr vorbereitetes Material senden und fragen wie es angepasst werden kann. Oder sie bitten um eine Einführung in einem Fach in der Kleingruppe zur Vorbereitung der Kinder auf den Unterricht in der großen Klasse. Außerdem gibt es von den Sonderpädagogen eine Lehrersprechstunde wo kein Unterricht stattfindet und sich die Lehrer Unterstützung holen können. Es findet also ein Austausch statt zwischen Regellehrern und Sonderpädagogen, der dazu beiträgt, dass Regellehrer besser informiert sind über Abläufe und was ein Kind z. B. aus dem L – Bereich können muss oder auch nicht. Man muss voneinander lernen vor allem wenn es so eine Personalknappheit gibt und effizient arbeiten. Deshalb lassen wir z. B. die 5. und 6. Klasse so wie sie sind. Aber die 7. und 8. Klasse sind in vielen Teilen zusammen und die Stärkeren aus Klasse 8 sind dann manchmal bei der 9. Klasse dabei.
Wir sind Meister in der Vielfältigkeit, das liegt aber daran, dass das die Lernkultur einer Gemeinschaftsschule ist. Denn in einer Klasse sind alle Schultypen vertreten. Man muss Vertrauen haben in die Lehrkräfte und man muss akzeptieren, das ist dann meine Aufgabe, dass ich meinen Sonderpädagogen wie auch meinen Regellehrern ganz klar sagen muss, mehr als das Mögliche kann man nicht leisten. Das ist den Umständen geschuldet, man muss sich eingestehen, dass nicht alles gelingt. Alle müssen bei ihrer Arbeit gesund bleiben, dann wäre ich schon zufrieden.
Die schlechte Personaleinbindung tut einem schon weh und ist für alle schlecht für die Kinder, für die Jugendlichen, auch für den Klassenverband und für die Lehrkräfte.

 

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